Im September 2021 sitze ich im Flieger nach Johannesburg/Südafrika. Eine noch recht
ungewisse Zeit von 8 Monaten im Ausland liegt vor mir. Die Wochen zuvor waren davon
geprägt die Dinge, die mich hier in Berlin hielten, zu einem Ende zu führen. Leitungsaufgaben
in der Gemeinde übergeben, Urlaubssemester beantragen, meine Wohnung auflösen, meinen
Nebenjob kündigen. Wenn ich mich daran zurückerinnere, fällt mir auf, dass ich zu dem
Zeitpunkt, als ich im Flugzeug saß, rein äußerlich so unbeschwert war, wie seit Jahren nicht
mehr. Der Flieger konnte also ohne Schwierigkeit abheben.
Der Grund für meinen Auslandsaufenthalt war nicht primär das Auslandsstudium. Ich sehnte
mich viel mehr nach einer Zeit der Ruhe und Zurückgezogenheit, in der ich „sein“ durfte und
nicht „tun“ musste. Diese Zeit sollte dennoch durch Studium begleitet sein. Allerdings war zu
dem Zeitpunkt des Fluges noch recht ungeklärt, wo und welche Kurse ich in Südafrika
studieren konnte. So erging es mir mit vielen Dingen in der Vorbereitung der Reise. Alles was
ich vorher selbst in die Hand nehmen und organisieren wollte, funktionierte irgendwie nicht.
Das wochenlange, nervenstrapazierende Hin und Her mit der südafrikanischen Botschaft
zwecks Visums-Beantragung endete mit der Ablehnung meines Antrages. Die Bewerbung auf
ein Stipendium, für das ich viele Dokumente besorgen musste, wurde mir leider nicht
zugesprochen. Bei der Suche nach Möglichkeiten rund um ein Studium an den
südafrikanischen Universitäten konnte man schon bei der Internetrecherche auf den
unübersichtlichen Websites verrückt werden. Zusätzlich war in alldem Corona auch weiterhin
ein Unsicherheitsfaktor. Gott sei Dank (und das nicht nur als Redewendung) hatte eben dieser
Gott mir im Vorhinein auf verschiedenen Wegen recht deutlich ins Herz gelegt, dass diese
Reise von ihm gesegnet und in die Wege geleitet wurde, weshalb ich versuchte, mich durch
die vielen Rückschläge nicht zu sehr verunsichern zu lassen. In alldem war es mir, als flüsterte
mir jedes Mal seine liebevolle Stimme zu: Vertraue mir, ich werde dich führen. Ich stieg also
ohne Visum und ohne Studienplatz in den Flieger, doch ich bin so dankbar, dass Gott mich vor
Ort auf viele wunderbare Weisen versorgte und mein Vertrauen zu ihm stärkte.
Ich durfte in der Zeit bei einem befreundeten südafrikanischen Ehepaar leben, die ich vor
einigen Jahren in Berlin kennenlernte. Die beiden nahmen mich überall hin mit und so habe
ich mich in der ganzen Zeit nicht als Tourist gefühlt, sondern hab das Leben dort aus einer
alltäglichen, authentischen Perspektive kennengelernt, was sehr bereichernd war. Schon nach
kurzer Zeit fühlte sich auch die christliche Gemeinde des Ehepaares für mich wie eine Familie
an. Das hat mich bewegt, dass man irgendwo auf der anderen Seite der Erde sein kann, aber
in Christus Brüder und Schwestern auf der ganzen Welt hat, mit denen man sich verbunden
fühlt.
Ich habe mich dann vor Ort an dem South African Theological Seminary immatrikuliert. Das ist
eine reine Online-Universität, die alle Ressourcen den Studierenden online zur Verfügung
stellt und man dann selbstinitiativ von zuhause aus studiert. Diese Form des Studierens war
ein großer Kontrast zu dem Studienalltag, wie wir ihn hier am TSB haben, wo das meiste über
Vorlesungen und Seminare in einem Gruppenkontext vor Ort läuft. Ich habe diese
Abwechslung aber total genossen und sehe es auch als eine große Bereicherung an. Ich konnte
mich auf einige wenige Kurse konzentrieren, mit denen ich mich über einen Zeitraum von
jeweils drei Monaten sehr intensiv beschäftigte. Die Kurse konnte ich mir nach meinem
Studieninteresse selbst auswählen und diese dann später als Vertiefungsmodule hier am TSB
anrechnen lassen. Hier in Deutschland ist es so, dass wir so viele verschiedene interessante
Kurse gleichzeitig studieren, aber die Zeit meist nie ausreicht, um aus eigenem Interesse
bestimmte Inhalte nochmal zu vertiefen. Sich dafür die Zeit zu nehmen war sicher einer der
größten Gewinne meines Auslandsstudiums.
Es gäbe noch viele Dinge zu erzählen…welche kulturellen und theologischen Unterschiede und
Herausforderungen ich wahrgenommen habe, oder welch prägende Eindrücke ein
dreiwöchiger Sambia Aufenthalt hinterließ, oder wie einzigartig und vielfältig die Natur in
Südafrika ist, oder was es mit dem absoluten Lieblingsessen der meisten Südafrikaner, dem
„Braai“, auf sich hat…Das kann ich aber gerne im persönlichen Gespräch oder auf Nachfrage
nachholen. Dieser kleine Erlebnisbericht soll in erster Linie dazu ermutigen, die Chance eines
Auslandsstudiums wahrzunehmen, wenn sich einem die Möglichkeit bietet. Wenn Gott uns in
ein Abenteuer ruft, dann können wir ihm vertrauen und auf seine Versorgung bauen.
Dieser Erfahrungsbericht wurde von Richard, Student im 7. Semester, geschrieben.